Das Geschick wollte es, dass das erste Tanzwochenende nach einer sehr langen Corona-Pause, in der sehr viele Menschen auf sich selbst zurückgeworfen waren, dem Thema Selbsterkenntnis gewidmet war.
„Gnothi Seautón“ – „Erkenne dich selbst“ war am Eingang zum Tempel des Apoll in Delphi deutlich und für alle sichtbar zu lesen: Selbsterkenntnis, als tägliche Übung, sollte der Anfang sein für jedes Erkennen / jede Erkenntnis von Gott, der Welt und den Menschen. Seit Jahrtausenden weisen viele Philosophen, Dichter und Denker (vor allem auch Goethe und Kant) darauf hin, dass sinnvolles Denken und Handeln letztlich auf Selbsterkenntnis basiert.
Unserem Innenleben, diesem Selbst und Wesenskern, wie später Schopenhauer schreibt, ist stets die größte Aufmerksamkeit zu widmen, ist er es doch, der unser Handeln hauptsächlich bestimmt. Selbsterkenntnis, Einsicht in das eigene Wollen, hat somit oberste Priorität. Nur, wenn man dasselbe bewusst will, was man vorher unbewusst wollte, so Schopenhauer, wird man auch die richtigen Entscheidungen treffen.
Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,
ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Faust, Prolog.
Der Gralsweg ist ein universeller Einweihungs- und Erkenntnisweg mit keltischen und christlichen Elementen und seine Botschaft lautet: „Lerne zu lieben. - Lerne zu verstehen. - Lerne zu dienen. (Goethe: Hast du einen Menschen gern, so musst du ihn versteh’n. Musst nicht immer hier und da seine Fehler seh’n. Schau mit Liebe und verzeih’, denn am Ende bist du selbst nicht fehlerfrei.)
Wie der suchende Parsifal kann bzw. sollte jeder Mensch sein Innerstes entdecken und sich die Frage stellen: Wer bin ich?, denn der Mensch ist nur frei, wenn er zuerst einmal sich selbst erforscht hat. Wie Parsifal haben in der Corona-Zeit viele Menschen danach geschaut: Wo kann ich helfen? Und sie haben andere einfühlsam wie ein heilender und guter Arzt gefragt: Was fehlt dir? Das ist eine der tiefsten Gralsfragen – neben der Frage nach dem jeweils richtigen Maß und der Lebenseinstellung. Friedel bekannte: Ihr Lebensgefühl sei tiefe, tiefe Dankbarkeit – Dankbarkeit für das Leben.
Eine Fülle an Tänzen und poetischen Texten haben diesen Inhalten Ausdruck verliehen und haben sie ganzheitlich spürbar werden lassen (exemplarisch seien genannt: Arise my love (basierend auf dem Hohelied der Liebe kommt der Ruf: „Öffne dich und höre auf dein Herz.“), Compassion, Erkennen, Achtstern – Blume des Herzens; Within our darkest night, Zuversicht, Stufen, Gradalis, Amor De i etc.).
Durch einen Gedankenaustausch wurde an diesem Vertiefungswochenende zum Thema „Gral und Selbsterkenntnis“ das bisher Erlebte und Empfundene ins Bewusstsein gebracht – als erstem Schritt zur Erkenntnis.
Das Gedicht von Arnold Mindell: „Den Pfad des Herzens gehen“ spricht noch einmal in poetischer Form das Wesentliche aus, um das es an diesem Wochenende ging:
Unsere wichtigste Aufgabe ist es,
das, was wir fühlen,
zu achten und zu schätzen.
Unsere Wahrnehmungen sind das einzige,
was uns wirklich gehört.
Wir leiden,
wenn unser Weg zu wenig Herz hat,
und haben tief innerlich das Gefühl,
ein sinnloses Leben zu führen.
Unsere größten Probleme
Haben vielleicht den Sinn,
unser Leben anzuhalten
und uns aufzuwecken,
und so
unsere Persönlichkeit
hinter uns zu lassen
und den Pfad des Herzens zu gehen.